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Cephaelis ipecacuanha (BROT.) RICH. (Brechwurzel)
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FamilieRubiaceae
Gattung (botanisch) / SektionCephaelis
Artname (botanisch)Cephaelis ipecacuanha (BROT.) RICH.
Synonyme (botanisch)Callicocca ipecacuanha BROT., Carapichea ipecacuanha (BROT.) L.ANDERSSON, Cephaelis acuminata H.KARST., Evea ipecacuanha (BROT.) W.WIGHT, Ipecacuanha fusca RAF., Ipecacuanha officinalis ARRUDA, Ipecacuanha preta ARRUDA, Psychotria ipecacuanha (BROT.) STOKES, Uragoga acuminata (H.KARST.) FARW., Uragoga granatensis BAILL., Uragoga ipecacuanha (BROT.) BAILL.
Gattung (deutsch)Brechwurzel
Artname (deutsch)Brechwurzel
Andere Artnamen & Volksnamen (international)Brazilian Ipecac (engl.), Brechwurz (ger.), Ipéca (franz.), Ipecac (engl.), Ipecacuan (engl.), Ipecacuana (ital., span.), Ipecacuanha (engl., portug.), Ipécacuanha (franz.), Ipecacuanha (ger.), Kopfbeere (ger.), Road-side sick-making plant (engl.), Ruhrwurzel (ger.), Speiwurzel (ger.)


Geographische Herkünfte (H) / Verbreitungen (V) / Anbaugebiete (A)

▪ H: östl. Südamerika (Brasilien) [11][18], östl. Südamerika (Süd-Brasilien, Südost-Brasilien) [1], zentr. Südamerika (Brasilien (Mato Grosso)) [18], zentr. Südamerika (West-Zentral-Brasilien) [1], nördl. Südamerika (Nord-Brasilien, Nordost-Brasilien, Kolumbien) [1], Mittelamerika (Nicaragua, Costa Rica, Panama) [1]
▪ V: Südamerika [4], nördl. Südamerika (Ecuador (Napo)) [24], Ozeanien-Mikronesien (Karolinen) [1]
▪ A: trop. Regionen [4], Südamerika [24], Südamerika (Brasilien) [15], Südasien (Indien) [15][24], Südostasien (Malaysia) [15]

Makroklimata (Klimazonen)

I-Immerfeuchte Tropen [25], II-Wechselfeuchte Tropen [25]

Mikroklimata (Klimaregionen)

tropisches Klima [25]

Biotoptypen

-

Standorttypen

Flachland (Tiefland) [24], Tropen [4][25], Wälder (Regenwälder) [4], Wälder [15]

Standortbedingungen

feuchter Standort [15], heißer bzw. warmer Standort [15][25]

Bodentypen / Bodenbedingungen

-


Ökofaktoren

Licht-
Temperatur-
Feuchtigkeit-
Wind-
pH-Klasse-
Stickstoff-
Salz-

Soziol. Pflanzencharakteristik

LebensformC: Chamaephyt, krautiger Strauch, Knospen wie bei Z meist über der Erde und im Schneeschutz überwinternd [24]
BlattausdauerI: Immergrün, zu allen Jahreszeiten mit Blättern, die oft länger als 1 Jahr leben [15][24]
Messtischblattfrequenz Mitteleuropas-
Dominanz-

Blütezeit

Januar-März [4]

Erntezeit

ganzjährig (non Regenzeit - Juni-September) [15][25]


Risikopotential

▪ 3(max): sehr stark giftig, tödlich giftig (bei hoher Dosierung/Überdosierung) [4][11]
▪ 2: stark giftig [4][11]
▪ Al(h): allergieinduzierend, hautreizend, kontaktsensibilisierend [11][15]
▪ Al(s): allergieinduzierend, schleimhautreizend, tränenreizend [4][11][15]

Risikobemerkungen / Nebenwirkungen

▪ CAVE: Die Rohdroge ist nicht zur Selbstmedikation geeignet, da die Dosis sehr sorgfältig eingehalten werden muss [18]. Die Wirkung nach Einnahme von 1-2 g Drogenpulver tritt nach einem unangenehmen Vorstadium (Nausea) erst nach 30-60 min ein, die Droge wird daher als Emeticum nicht mehr verwendet [11]. Die beiden Alkaloide Emetin und Cephaelin greifen insbesondere die Schleimhäute an, deren Gefäßkapillaren sie lähmen [11]. Die Rohdroge ist magenschleimhautreizend [4], durch reflektorische Wirkung von der Magenschleimhaut aus kommt es zu Nausea und heftigem Erbrechen, zu Gastroenteritis, Diarrhoe, Schmerzen, Abgeschlagenheit, Bradykardie, Dyspnoe, Hypotension, Muskellähmung und Anurie [11]. Die Magendarmschleimhaut zeigt starke Hyperämie, schleimig-eitrige Exsudation und Ulzerationen; auch rote Hepatisation wurde beobachtet [11]. Der Tonus der glatten Muskulatur wird durch Emetin herabgesetzt. Durch Depolarisation der Nervenendigungen der Drüsen wird die Speichel- Schweiß- und Darmsekretion vermehrt [11].

▪ CAVE(al): Emetin ist ein Histaminliberator [11]. Ipecacuanhapulver ist stark hautreizend und führt zu Entzündungen, juckende Bläschen, bulböse Dermatiden und masern- und scharlachartige Exantheme [11][15]. Auch die Augen und die Schleimhäute der Atemwege werden stark gereizt [11][15]; heftige Konjunktivitis und Entzündungen des Naseneingangs sind möglich [11], profuser Schnupfen, Husten, Heiserkeit, bei Überempfindlichkeit sogar asthmatische Anfälle sowie Lungenödem und katarrhalische Pneumonien wurden beobachtet [11]

▪ CAVE(max): Die Alkaloide lösen in hoher Dosis (1-2 g) Brechreiz/Erbrechen aus [4][15][18], Überdosierungen können gefährlich sein [18]; Ipecacuana ist sehr giftig und kann zu blutigen Durchfällen und Krämpfen bis zum Schock bzw. Koma führen [24]. Die letale Dosis für Cephaelin liegt bei 0,032 g/kgKG und für Emetin bei 0,057 g/kgKG; beide Alkaloide führen durch Herzparalyse bis zum Tod [11]. In Deutschland wurde Ipecacuanha Menschen verabreicht, die des Drogenhandels verdächtigt wurden (Diese Methode wurde dabei insbesondere in Hamburg, Bremen und Berlin regelmäßig eingesetzt). Damit sollten Beweismittel sichergestellt werden, die durch Verschlucken versteckt werden können. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Ipecacuanha starben dabei wenigstens zwei Menschen durch die Polizei [24]

Giftige / Allergene Pflanzenteile

Wurzel [4][11][15][18][24]

Nutzbare Pflanzenteile

▪ [EbM/Allopathie]: Getrocknete Wurzel/Rhizom 3-4 jähriger Pflanzen (Ipecacuanhae radix, früher: Radix Ipecacuanhae) [Pharm, PhEur] [4][15][18][24]
▪ [Hom]: Getrocknete Wurzel [4]

Pflanzliche Inhaltsstoffe

▪ [Wurzelrinde, Wurzel]: Isochinolinalkaloide (2-3,5 %, bis 4 %) [4][11][18] (v.a. Emetin (Methylcephaelin) [4][11][15][18][24], Cephaelin [4][11][15][18][24], als Dehydroderivat u.a. Psychotrin [4][15]), Iridoidglykoside/Iridoide [4][15] (Ipecosid [4]), Pseudotannine [24] (Ipecacuansäure [24], Cephaëlsäure [24]), Glykoproteine (allergen wirksam) [4], Stärke (20-40 %) [4], KEINE Saponine [4]

Pharmakologische Studienergebnisse

▪ Bei etwa 10-facher therapeutischer Dosis (vgl. unten) löst Ipecacuanhawurzel Brechreiz aus [18]; im Falle einer Vergiftung soll so ein Erbrechen herbeigeführt werden [18]
▪ Emetin und Cephaelin sind in ihrer Aktivität fast gleichwertig [18], Emetin und Cephaelin wirken stark emetisch, das Cephaelin jedoch doppelt so stark wie das Emetin [11]
▪ Die Alkaloide reizen den Nervus vagus im Magen, dadurch wird die Wassersekretion im Bronchiengewebe reflektorisch stimuliert, was zu den bekannten expektorierenden/sekretomotorischen und sekretolytischen Aktivitäten führt [18], Saponine wirken anscheinend auf dieselbe Weise [18]
▪ Emetin interkaliert die DNA und blockiert die Proteinbiosynthese, diese Wirkung liegt der Anwendung als zytotoxisches und amöbentötendes Mittel zugrunde [18]. (-)-Emetin tötet die Amöben (allerdings nur im vegetativen Stadium) in einer verdünnung von 1:100.000 in vivo [11]; synthetisches (+)-Emetin hat keine amöbizide Wirkung [11]
▪ Etwa 10 ml eines 0,5%igen Aufgusses wirken expektorierend [18], die emetische Dosis liegt bei 0,5-2 g [18]
▪ Die Wurzeln wurden zur Herstellung von Ipecac-Sirup verwendet, einem starken Brechmittel, einem seit langem rezeptfreien Arzneimittel, das in den USA aus Mangel an Beweisen für Sicherheit und Wirksamkeit nicht mehr für medizinische Zwecke zugelassen ist. Ein Beispiel für eine Brechmittelverbindung aus den Wurzeln ist Emetin [24]

Vergleiche zu ähnlichen Pflanzen

▪ Mehrere Arten aus tropisch Amerika gelten als Verfälschungen oder minderwertiger Ersatz von Ipecacuanhawurzel, z.B. Cephaelis tomentosa, Cephaelis humboldtiana und Cephaelis elata [18]. Auf dem Markt finden sich so zahlreiche Ersatzmittel für die Brechwurzel. Sie werden teils mit der portugiesischen Bezeichnung ähnlichem Namen (Ipecac, Ipecacuanha) geführt [24]. Die Bezeichnung Ipecacuanha hat sich nicht nur für echte Ipecacuanhawurzel, sondern -unkorrekt- auch für andere emetische Wurzeldrogen eingebürgert [18]
▪ Zweifelhaft ob Cephaelis acuminata auch Stammpflanze der Droge ist [4], auch verschiedene Handelssorten, wie Cartagena-, Panama-, Costa-Rica- oder Nicaragua-Ipecacuanha, bisher als Cephaelis acuminata bekannt, sind als alternative Drogenquelle akzeptabel [18]
▪ Als das Apomorphin (ein Aporphinalkaloid) entdeckt wurde, das eine höhere emetische Wirksamkeit zeigt, ersetzte es die Brechwurzel [24]

Besonderheiten & Zusammenhänge (geoökochemisch / biochemisch)

▪ Der Stärkegehalt schwankt zwischen 20-40 % [4]
▪ Die Rhizome werden v.a. im Mato Grosso in Brasilien aus Wildbeständen gesammelt [18]
▪ Unterschiedliche Sorten von Cephaelis ipecacuanha zeigen einen anders farbigen "Wurzelstock" (grau, rot, braun), was auf das Alter und die Bewässerung zurückführt [24]

Zubereitungsformen

▪ [EbM/Allopathie]:
►Standardisiertes Wurzelpulver (Ipecacuanhae pulvis normatus) [18] [Pharm]
►Isolierte Reinalkaloide [18]
►Fertigpräparate als Hustenmittel [4]
►Ipecacuanha-Sirup/Brechwurzelsirup (Sirupus Ipecacuanhae) als Brechmittel (DAB 6) [4][24]
►Fertigarzneimittel als Emetika (Aktive Inhaltsstoffe in 10-fach therapeutischer Dosis) [18]
►Infus/Aufguss als Hustenmittel in Kombination mit Eibischsirup [15]

▪ [Hom]:
►Cephaelis ipecacuanha [4]
►"Ipecacuanha" [HAB] [4]

Konservieren & Aufbewahren

-


Heilwirkungen & Indikationen (Zusammenfassung)

▪ [++] EbM/Allopathie:
►Atemwege / Lunge: chronischer trockener Husten [18], Schleimhautentzündungen der unteren Atemwege [15]

▪ [+] EbM/Allopathie:
►Atemwege / Lunge: Husten [4][15], Bronchitis [18]
►Vergiftung: emetisch [4], Brechreiz auslösend [4][18], Vergiftungen [18]

▪ [+] EbM/Allopathie (isol. Emetin, Cephaelin):
►Atemwege / Lunge: Husten [15], sekretolytisch/mukolytisch [4][15][18], expektorierend [4][15][18], Bronchialsekretion steigernd [4][18]
►Magen-Darm: amöbentötend [18]
►Zelle: zytotoxisch [18], blockiert Proteinbiosynthese [18]

▪ [++] EbM/obsolet (Ipecacuanha-Sirup):
►Vergiftung: emetisch [15][24], Brechreiz auslösend [15][24]

▪ [+] Volksmed.:
►Magen-Darm: tropische Dysenterie [24], Amöbenruhr [11]

▪ [++] Hom:
►Atemwege / Lunge: Husten [4]

▪ [++] Hom (D1-D2):
►Atemwege / Lunge: zäher Schleim der Bronchien [15]

▪ [+] Hom:
►Algesie / Schmerz: Migräne [4]
►Herz: Kreislaufstörungen [4]
►Magen: Übelkeit [4], Erbrechen [4]
►Magen-Darm: Magendarmentzündungen [4]

▪ [+] Hom (D3-D6):
►Allergie: Heufieber [15], Konjunktivitis [11]
►Atemwege / Lunge: Bronchitis [11], Husten [11], Asthma bronchiale [11]
►Magen: Gastritis (durch verdorbene oder zu kalte Speisen) [11]
►Magen-Darm: Magendarminfektionen [15], Typhus [15], Paratyphus [15], Sommerdurchfälle [11][15]

Evidenzbasierte Medizin EbM / Allopathie (Evidenzgrad I‐IV)

▪ [++] EbM/Allopathie:
►Atemwege / Lunge: chronischer trockener Husten [18], Schleimhautentzündungen der unteren Atemwege [15]

▪ [+] EbM/Allopathie:
►Atemwege / Lunge: Husten [4][15], Bronchitis [18]
►Vergiftung: emetisch [4], Brechreiz auslösend [4][18], Vergiftungen [18]

▪ [+] EbM/Allopathie (isol. Emetin, Cephaelin):
►Atemwege / Lunge: Husten [15], sekretolytisch/mukolytisch [4][15][18], expektorierend [4][15][18], Bronchialsekretion steigernd [4][18]
►Magen-Darm: amöbentötend [18]
►Zelle: zytotoxisch [18], blockiert Proteinbiosynthese [18]

Pharm. / labor. Studienergebnisse (Evidenzgrad V-VI)

-

Allopathie (obsolet)

▪ [++] EbM/obsolet (Ipecacuanha-Sirup):
►Vergiftung: emetisch [15][24], Brechreiz auslösend [15][24]

Traditionelle Volksmedizin

▪ [+] Volksmed.:
►Magen-Darm: tropische Dysenterie [24], Amöbenruhr [11]

Homöopathie

▪ [++] Hom:
►Atemwege / Lunge: Husten [4]

▪ [++] Hom (D1-D2):
►Atemwege / Lunge: zäher Schleim der Bronchien [15]

▪ [+] Hom:
►Algesie / Schmerz: Migräne [4]
►Herz: Kreislaufstörungen [4]
►Magen: Übelkeit [4], Erbrechen [4]
►Magen-Darm: Magendarmentzündungen [4]

▪ [+] Hom (D3-D6):
►Allergie: Heufieber [15], Konjunktivitis [11]
►Atemwege / Lunge: Bronchitis [11], Husten [11], Asthma bronchiale [11]
►Magen: Gastritis (durch verdorbene oder zu kalte Speisen) [11]
►Magen-Darm: Magendarminfektionen [15], Typhus [15], Paratyphus [15], Sommerdurchfälle [11][15]

Anthroposophische Medizin

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Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

-

Wechselwirkungen

-

Medizinische Rezepturen

▪ [Therapeutischer Dosierung der Fertigpräparate, max. Einzeldosis]: Cehaelin-hydrochlorid 0,005-0,01 g, Emetin-hydrochlorid 0,05 g [11], max. TD 0,1 g (DAB 7) [11]
▪ [Erste Hilfe]: Kohle-Pulvis, viel warmen Tee trinken, Natriumsulfat, Schockprophylaxe (Ruhe, Wärme) [11]
▪ [Klinik-Therapie]: Magenspülung (evtl. mit burgunderfarbener Kaliumpermanganatlösung), Kohle-Pulvis, Natriumsulfat, Elektrolytsubstitution, Azidoseausgleich mit Natriumbikarbonat (Urin pH 7,5), im Schock Plasmaexpandergabe, bei Krämpfen Diazepam (Valium) i.v., Kontrolle der Nierenfunktion, bei Atemlähmung Intubation und Sauerstoffbeatmung [11]

Rezepte - Essen & Trinken

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Nutzung nichtmedizinisch

-

Nutzung nichtmedizinisch (obsolet)

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Ethnobotanische Bedeutung

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Ethnobotanische Bedeutung (obsolet)

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Quellenangaben


[1] Royal Botanic Gardens (Kew) (ff): Plants of the World Online. -, https://powo.science.kew.org/
[4] Schönfelder I. & Schönfelder P. (2011): Das neue Handbuch der Heilpflanzen. 2. Auflage, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart
[11] Roth L., Daunderer M., Kormann K. (2008): Giftpflanzen, Pflanzengifte. 5. Auflage, Nikol Verlags-GmbH
[15] Pahlow M. (2006): Das große Buch der Heilpflanzen. 1. Auflage, Weltbild Verlag, München
[18] Van Wyk B.E., Wink C., Wink M. (2004): Handbuch der Arzneipflanzen. 2. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart
[24] Wikipedia: Die freie Enzyklopädie / The Free Encyclopedia
[25] Busse B.: Eigene Darstellung - PlantaMedia

Autor: Benjamin Busse
Letzte Änderung am 2024-02-10 17:17:00
durch Benjamin Busse