Cicuta virosa L. (Giftiger Wasserschierling)
Nomenklatur & Systematik
- Familie
Apiaceae
- Gattung (botanisch) / Sektion
Cicuta
- Artname (botanisch)
Cicuta virosa L.
- Synonyme (botanisch)
Cicutaria virosa (L.) DELARBRE, Selinum virosum (L.) E.H.L.KRAUSE, Cicuta angustifolia KIT. ex SCHULT., Cicuta baldacciana DEGEN ex BALD., Cicuta cellulosa GILIB., Cicuta mackenzieana RAUP, Cicuta nipponica FRANCH., Cicuta orientalis DEGEN, Cicuta pumila BEHM, Cicuta tenuifolia SCHRANK, Cicutaria aquatica LAM., Coriandrum cicuta ROTH, Sium cicuta F.H.WIGG.
- Gattung (deutsch)
Wasserschierling
- Artname (deutsch)
Giftiger Wasserschierling
- Andere Artnamen & Volksnamen (international)
Bärstkraut (ger.), Beaver-poison (engl.), Berstekraut (ger.), Berzenkraut (ger.), Blutschierling (ger.), Buochalter (ger.), Butschürling (ger.), Children's-bane (engl.), Cicuta acquatica (ital.), Ciguë aquatique (franz.), Cow bane (engl.), Cowbane (engl.), Dullkraut (ger.), Gift-Wasserschierling (ger.), Mackenzie's water hemlock (engl.), Musquash-poison (engl.), Northern water hemlock (engl.), Rasende Schirlynk (ger.), Sachpfiff (ger.), Sackpfeifen (ger.), Scaerline (ger., ned.), Scherlinc (ger.), Scherlynck (ger.), Schernig (ger.), Schierlenk (ger.), Schirling (ger.), Serlink (ger.), Sigue (ger.), Snakeweed (engl.), Wasserschierling (ger.), Water hemlock (engl.), Waterscheerling (ned.), Wätscherling (ger.), Wedendunk (ger.), Wedewesle (ger.), Wedewessele (ger.), Weidendung (ger.), Winterich (ger.), Wintrich (ger.), Wintscherling (ger.), Wintterich (ger.), Wiss Schirling (ger.), Witrecht (ger.), Witzerling (ger.), Wodenspele (ger.), Wodescerve (ger.), Wodescherve (ger.), Wodesterne (ger.), Wögendunck (ger.), Wöterich (ger.), Wötrich (ger.), Wotscherling (ger.), Woutzerling (ger.), Wrugerling (ger.), Wuetscherling (ger.), Wuntscherlinc (ger.), Wuntzerlinc (ger.), Wüterich (ger.), Wutscherlyng (ger.), Wutzerling (ger.), Ziegerkraut (ger.)
Geobotanik & Ökologie
- Geographische Herkünfte (H) / Verbreitungen (V) / Anbaugebiete (A)
- ▪ H: Mitteleuropa [24], Mitteleuropa (Alpenvorland, Mittelgebirgsgebiete des süddeutschen Schichtstufenlands (M1), Mittelgebirgsschwelle (M2), Flachland, Küstengebiete) [12], Mitteleuropa (Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien, Niederlande) [1], Westeuropa (Frankreich, Großbritannien, Irland) [1], Nordeuropa [24], Nordeuropa (Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland) [1], Nordosteuropa (Baltikum, Weißrussland, Nordeuropäisches Russland, Nordwesteuropäisches Russland) [1], Osteuropa (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Ukraine, Mitteleuropäisches Russland, Osteuropäisches Russland) [1], Südosteuropa (Bulgarien, Rumänien, Jugoslawien, Griechenland, Nordkaukasus, Südeuropäisches Russland) [1], Südeuropa (Italien) [1], Vorderasien (Transkaukasus, Türkei, Palästina) [1], Zentralasien (Kasachstan, Kirgisistan, Westhimalaya, Innere Mongolei, Mongolei, Xinjiang) [1], Nordasien [24], Nordasien (Westsibirien, Altai, Burjatien, Tuwa, Krasnojarsk, Tschitagebiet, Irkutsk) [1], Nordostasien (Amur, Kamtschatka, Primorje, Magadan, Chabarowsk, Sachalin, Kurilen, Jakutien) [1], Ostasien (Mandschurei, Nord-Zentral-China, Süd-Zentral-China, Japan, Korea) [1], westl. Nordamerika (British Columbia, Alberta) [1], nördl. Nordamerika (Nordwest-Territorien) [1], nordwestl. Nordamerika [24], nordwestl. Nordamerika (Alaska, Yukon) [1], östl. Nordamerika (Ontario, Québec) [1], zentr. Nordamerika (Saskatchewan, Manitoba) [1]
- ▪ V: Europa [4][11][24] (non Portugal, non Spanien, non Island, non Luxemburg, non Bosnien und Herzegowina, non Montenegro, non Albanien, non Nordmazedonien) [24], Asien [4][24], Zentralasien (Mongolei) [24], Vorderasien (Georgien) [24], Nordasien [11], Nordasien (Sibirien) [24], Südasien (Indien) [24], Ostasien (China, Japan) [24], Nordostasien (Ferner Osten) [24], Nordamerika [11], nordwestl. Nordamerika (Alaska) [24], nördl. Nordamerika (Kanada) [24]
- Standorttypen
Gebirge (kolline-montane Stufe) [35], Gebirge (kolline Stufe) [24], Gebirge (Höhe bis 1750 m) [24], Gebirge (Höhe bis 1200 m) [24], Bergregionen [25], Flachland [24][25], Uferstellen (Altwasser) [4], Uferstellen (Tümpel, Seen) [35], Uferstellen (Flussufer) [24], Teichränder [11], Tümpel [4], Sümpfe [11], Gräben [4][11], Gräben (Sumpfgräben) [35], Verlandungsbereiche mesotropher bis eutropher stehender Gewässer (Seen, Tümpel oder Gräben) [24], Wälder (Erlenbruchwälder) [24], Wiesen (Feuchtwiesen) [24]
- Standortfaktoren (Ökofaktoren)
- Soziol. Pflanzencharakteristik
- Messtischblattfrequenz Mitteleuropas
6: mäßig häufig, d.h. zwischen 25 und 50% vermittelnd [21]
- Dominanz
3: in kleinen Gruppen vereinzelt [21]
- Erntezeit
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Pharmazie & Pharmakologie
- Nebenwirkungen / Risikobemerkungen
- ▪ CAVE: Ein Vergiftung mit dem sehr giftigen Cicutoxin (Krampfgift) ähnelt einer Picrotoxinvergiftung und führt schon in kleinen Dosen der Knollenwurzel bzw. des Wurzelstocks zu schwerwiegenden Vergiftungen [4]. Bereits nach 20 min nach Verzehr bereits geringer Mengen kommt es zu Vergiftungserscheinungen, wie Brennen im Mund- und Rachenraum, Übelkeit und Erbrechen, Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Sehstörungen mit Pupillenerweiterung (Mydriasis) und Muskelzittern. Auch kommt es zu tonisch-klonischen Krampfanfällen mit Zähneknirschen und Schaumabsonderung, Schock, Bewusstlosigkeit und Atemnot. Cicutoxin wirkt primär ZNS-lähmend auf das Großhirn. Der Tod tritt innerhalb von 24 h infolge von Atemlähmung ein [11][24]. Ein einziger Wurzelstock tötet einen Erwachsenen, bei Tieren sind die toxische Dosis und die tödliche Dosis nahezu gleich bzw. sind 2-3 Rhizome tödlich für ein Rind [11]; Pferde und Rinder sind nach oraler Aufnahme eines walnußgroßen frischen Rhizoms tödlich vergiftet [11]; 1 g Wasserschierling/ kg KG tötet ein Schaf und 230 g reichen aus, um ein Pferd zu töten [24]. Aufgrund des schnellen Einsetzens der Symptome bleibt eine medizinische Behandlung meist erfolglos [24]. Die Giftwirkung bleibt auch nach dem Trocknen bestehen [11]. Verwechslungsgefahr besteht mit Sellerie, Pastinakenwurzeln und Petersilie [4]
- Nutzbare Pflanzenteile
- Pharmakologische Studienergebnisse
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- Vergleiche zu ähnlichen Pflanzen
- ▪ Der Wasserschierling ist neben dem Gefleckten Schierling (Conium maculatum) und der Hundspetersilie (Aethusa cynapium) eines der giftigsten Doldengewächse [24]
- ▪ Im Gegensatz zu anderen Doldenblütlern sind die Blätter des Wasserschierlings wechselständig, dreifach gefiedert und nur grob gezähnt, im Gegensatz zu den farnartigen, spitzenförmigen Blättern, die bei vielen anderen Mitgliedern der Familie Apiaceae vorkommen [24]
- ▪ Verwechslungsgefahr besteht mit Sellerie, Pastinakenwurzeln (wegen der weißen Knollenwurzeln) und Petersilie [4][24]
- ▪ Der Geruch des Wasserschierlings nach Sellerie kann als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Doldenblütlern dienen [24]
- ▪ Eine gelbe-ölige Flüssigkeit, welche aus Verletzungen von Stängeln und Wurzeln austritt, hat einen strengen Geruch, der an Pastinaken oder Karotten erinnert [24]
- ▪ Nach einem alten preußischen Gesetz sollte Cicuta virosa wegen seiner Giftigkeit ausgerottet werden [24]
- ▪ In Deutschland ist der Wasserschierling auf der Roten Liste der Gefäßpflanzen als „gefährdet“ oder „stark gefährdet“ eingestuft. In der Schweiz ist er „stark gefährdet. Auch im übrigen Europa ist er z. T. stark in seinen Beständen bedroht [24]
- ▪ Antike Autoren meinten mit "Cicuta" wohl den Fleckenschierling (Conium maculatum), den auch noch mittelalterliche Quellen meist mit dem Wasserschierling (Cicuta virosa) gleichsetzten [24]
- ▪ Einige Wissenschaftler sind sich immer noch uneinig, ob im antiken Griechenland der Wasserschierling (Cicuta virosa) oder der Gefleckte Schierling (Conium maculatum) als Staatsgift diente und als Methode der Todesstrafe verabreicht wurde. Der griechische Philosoph Sokrates musste bei seiner Hinrichtung im Jahr 399 v. Chr. eine Tasse des Schierlingsbechers trinken. Cicuta virosa ist jedoch in erster Linie eine nordeuropäische Art, die im Mittelmeerraum selten oder gar nicht vorkommt, was ihre Verwendung in Griechenland unwahrscheinlich macht. Die bei griechischen Hinrichtungen verwendete Dosis des Schierlingbechers war nicht immer sofort tödlich, und manchmal wurde eine zweite Tasse Gift verabreicht. Wegen der extremen Toxizität von Cicuta virosa liefert dies einen Hinweis dafür, dass der Wasserschierling wohl nicht für den Schierlingsbecher "Hemlocktanne" verwendet wurde [24][25]
- Standortbesonderheiten (biochemisch / geoökochemisch)
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- Konservieren & Aufbewahren
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Medizin & Rezepturen
- Evidenzbasierte Medizin EbM / Monographien (Evidenzgrad I-IV)
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- Pharm. / labor. Studienergebnisse (Evidenzgrad V-VI)
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- Monographien (obsolet)
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- Traditionelle Volksmedizin
- ▪ [+] Volksmed. (äußerliche Anwendungen):
- Anthroposophische Medizin
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- Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
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- Wechselwirkungen
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- Arzneimittel & Fertigpräparate (Beispiele)
- Medizinische Rezepturen
- ▪ [Erste Hilfe-Therapie]: Sofort Kohle-Pulvis (10 g), Erbrechen auslösen, Natriumsulfat [11]
- ▪ [Klinik-Therapie]: Magenspülung (evtl. mit burgunderfarbener Kaliumpermanganatlösung), Instillation von 10 g Kohle-Pulvis, Natriumsulfat. Nach bereits stattgefundener Resorption (mit Auftreten von Krämpfen) Relaxierung und Intubation solange wie das Krampfstadium anhält, nur so viel Antikonvulsiva, wie Diazepam oder Barbital o.a., geben, sodass die Krämpfe eben unterdrückt bleiben; zusätzlich forcierte Diurese, bei Fieber Eiswickel/Wadenwickel, hochkalorische Glukoseinfusionen, keine Phenothiazine, keine Analeptika (!), evtl. Sauerstoffbeatmung [11]
- Rezepte - Essen & Trinken
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Nutzpflanzenkunde & Ethnobotanik
Quellenangaben
- [1] Royal Botanic Gardens (Kew) (ff): Plants of the World Online; https://powo.science.kew.org/
- [4] Schönfelder I. & Schönfelder P. (2011): Das neue Handbuch der Heilpflanzen; Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart
- [11] Roth L., Daunderer M., Kormann K. (2008): Giftpflanzen, Pflanzengifte; Nikol Verlags-GmbH
- [12] Haeupler H. & Muer T. (2007): Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands; Ulmer Verlag, Stuttgart
- [21] Ellenberg H., Weber H.E., Düll R., Wirth V., Werner W., Paulißen D. (1992): Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. Band 18; Erich Goltze Verlag, Göttingen
- [24] Wikipedia (ff): Die freie Enzyklopädie / The Free Encyclopedia; https://www.wikipedia.org/
- [25] Busse B. (ff): Eigene Darstellung; PlantaMedia
- [28] Madaus G. (1987): Lehrbuch der biologischen Heilmittel (Bände 1-11); Mediamed Verlag, Ravensburg
- [33] Landolt E., Bäumler B., Erhardt A., Hegg 0., Klölzli F., Lämmler W., Nobis M., Rudmann-Maurer K., Schweingruber F. H., Theurillat J., Urmi E., Vust M., Wohlgemuth T. (2010): Flora indicativa. Ökologische Zeigerwerte und biologische Kennzeichen zur Flora der Schweiz und der Alpen; Haupt Verlag
- [34] Delarze R., Gonseth Y., Eggenberg S., Vust M. (2015): Lebensräume der Schweiz. Ökologie - Gefährdung - Kennarten; Ott Verlag
- [35] Lauber K., Wagner G., Gygax A. (2018): Flora Helvetica - Illustrierte Flora der Schweiz; Haupt Verlag
- [42] BGA/BfArM (Kommission D) (ff): Monographien Komm. D; nn
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- Letzte Änderung
22.10.2024