Cinchona officinalis L. (Gelber Chinarindenbaum)
Nomenklatur & Systematik
- Familie
Rubiaceae
- Gattung (botanisch) / Sektion
Cinchona
- Artname (botanisch)
Cinchona officinalis L.
- Synonyme (botanisch)
Quinquina officinalis (L.) KUNTZE, Myroxylon trialatum STOKES, Cinchona academica GUIBOURT, Cinchona chahuraguera PAV., Cinchona chahuraguera PAV. ex DC., Cinchona condaminea BONPL., Cinchona crispa TAFALLA ex HOWARD, Cinchona cucumifolia PAV. ex LAMB., Cinchona legitima RUIZ ex C.J.LAUBERT, Cinchona obtusifolia PAV. ex DC., Cinchona officinalis var. bonplandianacolorata HOWARD, Cinchona officinalis var. bonplandianalutea HOWARD, Cinchona officinalis var. condaminea (HUMB. & BONPL.) HOWARD, Cinchona officinalis var. crispa (TAFALLA ex HOWARD) HOWARD, Cinchona officinalis var. josephiana (WEDD.) CÁRDENAS, Cinchona officinalis var. uritusinga (PAV. ex HOWARD) HOWARD, Cinchona officinalis var. vera CÁRDENAS, Cinchona palton PAV., Cinchona peruviana MUTIS, Cinchona stupea PAV. ex LAMB., Cinchona subcordata PAV. ex HOWARD, Cinchona suberosa PAV., Cinchona uritusinga PAV. ex DC., Cinchona uritusinga PAV. ex HOWARD, Cinchona vritusino PAV. ex DC., Quinquina palton (PAV.) KUNTZE
- Gattung (deutsch)
Chinarindenbaum
- Artname (deutsch)
Gelber Chinarindenbaum
- Andere Artnamen & Volksnamen (international)
Fabrikrindenbaum (ger.), Fieberbaum (ger.), Kalisaya (ger.)
Geobotanik & Ökologie
- Geographische Herkünfte (H) / Verbreitungen (V) / Anbaugebiete (A)
- ▪ H: nördl. Südamerika (südl. Ecuador) [1][24]
- ▪ V: nördl. Südamerika (Kolumbien) [1], westl. Südamerika (Peru) [1], Südamerika (Anden) [4][18] (Kolumbien [18] bis nördl. Peru [18]), Mittelamerika (Jamaika, Puerto Rico) [1], Westafrika (Guinea) [1], Afrika-Südatlantik (St. Helena) [1]
- ▪ A: Südasien (Indien-Westbengalen) [18][24][25], Indonesien [18], Zentralafrika (Kongobecken) [18][24]
- Biotoptypen
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- Standortbedingungen
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- Bodentypen / Bodenbedingungen
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- Standortfaktoren (Ökofaktoren)
- Licht
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- Temperatur
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- Feuchtigkeit
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- Wind
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- pH-Klasse
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- Stickstoff
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- Salz
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- Soziol. Pflanzencharakteristik
- Blattausdauer
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- Messtischblattfrequenz Mitteleuropas
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- Dominanz
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- Blütezeit
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- Erntezeit
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Pharmazie & Pharmakologie
- Nebenwirkungen / Risikobemerkungen
- ▪ CAVE: Chinin kann Fieber [4], Bradykardien und QT-Zeitverlängerung herbeiführen [25]. Auch kann es eine erhöhte Blutungsneigung verursachen [4], insbesondere wenn man z.B. gleichzeitig Aspirin oder Antikoagulanzien einnimmt [14]
- ▪ CAVE(al): Chinin kann zu allergischen Hautreaktionen führen [4]
- ▪ CAVE(max): In hoher Dosierung vergleichsweise hohe Nebenwirkungen [4]. Bei zu langer Anwendung oder nach hoher Dosierung, z.B. wenn man viel Tonic trinkt, kann dies auf Dauer zu Sehstörungen, Ohrensausen, Hautausschlägen und Magendarmgeschwüren führen [14]
- Nutzbare Pflanzenteile
- Pharmakologische Studienergebnisse
- ▪ 67 mg Chinin ist gewöhnlich in 1 Liter Tonic Water enthalten [18]
- ▪ Chinin wirkt auf verschiedenen Plasmodium-Arten, in dem es in die DNA und Stoffwechsel der Blutschizonten interkaliert [18]
- ▪ Es gibt verschiedene synthetische und wirksamere Malariamittel, die Chinin ersetzt haben, doch mehrere Plasmodium-Formen haben inzwischen Resistenzen gegen diese synthetischen Mittel entwickelt [14][18]
- ▪ Chinidin hemmt die Na+-Kanäle und wird deshalb als Medikament gegen tachykarde Herzrhythmusstörungen verwendet [18]
- ▪ Die China-Alkaloide wirken in hohen Dosen auf das Nervensystem, in niedrigen Dosen positiv auf die Rekonvaleszenz des Körpers [14]
- ▪ Catechine bewirken eine natürliche TNF-alpha-(Tumornekrosefaktor)-Hemmung [Pharma]
- Vergleiche zu ähnlichen Pflanzen
- ▪ In den Apotheken/ im Handel erhält man braune (Cinchona calisaya), gelbe (Cinchona officinalis) und rote Chinarinde (Cinchona pubescens) [14][25]
- ▪ Bekannt wurde der Chinarindenbaum durch das enthaltene Chinin, das vor Erfindung der synthetischen Arzneimittel das einzige wirksame Mittel gegen Malaria war [14]. Einige Cinchona-Arten und Hybriden werden daher in tropischen Gebieten zur Gewinnung des Chinins weltweit angebaut [24]
- ▪ Cinchona officinalis ist durch Raubbau von der Ausrottung bedroht [18]; die meisten heute angebauten Pflanzen sind vegetativ vermehrte Hybriden [18]
- ▪ Oft werden auch Plantagen von Cinchona calisaya als "Cinchona officinalis" bezeichnet [24]
- ▪ Der Chinarindenbaum ist die bitterste Pflanze aus der Familie der Krapp- oder Rötegewächse (Rubiaceae), zu der auch Kaffee, Waldmeister oder Morinda citrifolia gehören [14]
- ▪ Nicht alle Cinchona-Arten enthalten Chinin gleichermaßen. Die Niederländer versuchten auf Java Cinchona calisaya anzubauen, während die Engländer in Indien versuchten, Cinchona succiruba zu kultivieren. Bei beiden Arten zeigte es sich jedoch, dass ihre Rinde den Wirkstoff nicht in einem ausreichenden Maße enthält, um eine Extraktion wirtschaftlich zu rechtfertigen. Cinchona ledgeriana dagegen besitzt eine Rinde, die durchschnittlich 13 % Chinin enthält. Sie wurde nach dem fehlgeschlagenen Versuch mit Cinchona calisaya von den Niederländern auf Java in Plantagen angebaut. Bei Cinchona calisaya und Cinchona ledgeriana handelt es sich allerdings um Synonyme [24]
- ▪ Das aus der Rinde gewonnene Chinin hatte bis nach dem Zweiten Weltkrieg große wirtschaftliche und medizinische Bedeutung. Das Kina-Büro wachte seit 1922 über die Kontrolle und Förderung der Chinarindenproduktion, der Verteilung der Kontingente auf die Mitgliedsstaaten sowie die Aufrechterhaltung der Preisstabilität. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden jährlich 1500 Tonnen Chinin produziert. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Vernichtung von Chinarindenbaumplantagen zum Kriegsmittel. So fällte die japanische Armee zum Beispiel 20.000 Hektar der Chinarindenplantagen auf Java, sodass sich die Suche nach synthetisch hergestellten Ersatzstoffen verstärkte. Das ähnlich wirkende, aber mit schweren Nebenwirkungen einhergehende Atebrin war bereits 1928 durch die deutsche Firma I.G. Farben hergestellt worden. Chloroquin und Primaquin waren die ersten synthetisch erzeugten Wirkstoffe gegen die Malaria, die das natürlich erzeugte Chinin seit dem Zweiten Weltkrieg ablösten [24]
- ▪ Für Samuel Hahnemann, den Begründer der Homöopathie, war die pulverisierte Chinarinde das erste Mittel, mit dem er Selbstversuche unternahm [14]. Er beschrieb 1790, er habe bei Selbstversuchen nach Einnahme der als Fiebermittel bekannten Chinarinde bei sich fieberhafte Erscheinungen festgestellt. Hierdurch soll er zur Überzeugung gelangt sein, dass eine Krankheit mit Arzneimitteln geheilt werden könne, die der Krankheit ähnliche Symptome erzeugen [14][24]; das Ähnlichkeitsgesetz in der Homöopathie "Similia similibus curentur" war entdeckt [14]
- ▪ Der Name "Chinarindenbaum" hat nichts mit China zu tun und stammt wahrscheinlich vom altperuanischen Quechua-Wort kina-kina (auch quina-quina) „Rinde der Rinden“ als Bezeichnung für die als Heilmittel gebrauchte Rinde vom Roten Chinarindenbaum [14][24]
- Standortbesonderheiten (biochemisch / geoökochemisch)
- ▪ Der Wirkstoffgehalt ist in den 5-jährigen Bäumen am höchsten [14]
- Konservieren & Aufbewahren
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Medizin & Rezepturen
- Evidenzbasierte Medizin EbM / Monographien (Evidenzgrad I-IV)
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▪ [++] EbM/Monographien:
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▪ [+] EbM/Monographien:
- ►Herz: Herzrhythmusstörungen [4][14][18]
- ►Immunsystem: Fieber [14]
- ►Infektion: Malaria [4][18], Grippe [14]
- ►Magen: Amarum [4][18], appetitanregend [4][18], Appetitlosigkeit [14][18], Verdauungsbeschwerden [4][15], Völlegefühl [4], speichelflussfördernd [4], magensaftfördernd [4][14]
- ►Magen-Darm: Verdauungsstörungen [4], Blähungen [4][14][18], gallenflussfördernd [4]
- ►Nerven-PNS: nächtliche Wadenkrämpfe [4]
- ►Vitalität: Kräftigungsmittel (in Rekonvaleszenz) [4], Höhenkrankheit [14]
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- Pharm. / labor. Studienergebnisse (Evidenzgrad V-VI)
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- Homöopathie
- Anthroposophische Medizin
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- Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- ▪ CAVE(ki): Chininhaltige Getränke und Extrakte sind in der Schwangerschaft kontraindiziert, da Chinin die Muskulatur des Uterus anregt und somit wehenverstärkend ist [4][14]; auch in der Stillzeit und bei Kindern ist die Verwendung kontraindiziert [14]. Chinin kann außerdem die QT-Zeit verlängern, daher bei Bradykardie und bradykarden Herzrhythmusstörungen kontraindiziert [25]. Aufgrund der Steigerung der Magensäuresekretion nicht bei Magen- oder Darmgeschwüren anwenden [14]
- Wechselwirkungen
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- Darreichungsformen & Zubereitungen
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▪ [EbM/Monographien]:
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▪ [Volksmed.]:
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▪ [Hom]:
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- Arzneimittel & Fertigpräparate (Beispiele)
- Medizinische Rezepturen
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▪ [Teeaufguss]: 1/2 TL zerkleinerte oder pulverisierte Rinde mit 1 Tasse kaltem Wasser ansetzen und aufwallen lassen, nach etwa 10 min abgießen, lauwarm trinken [14]
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▪ [Chinintinktur]: 2 EL Rinde mit so viel Schnaps (Obstschnaps / Korn / Wodka) ansetzen/übergießen, dass alles gut bedeckt ist, 5-6 Tage ziehen lassen, dann abgießen, Tinktur tropfenweise in einen Heiltee geben [14]
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▪ [Haarstärkende Breipackung]: Pulverisierte Chinarinde und Henna zu gleichen Teilen mit so viel Wasser verrühren, dass ein Brei entsteht. Breipackung auf Haare und Kopfhaut auftragen, mit einem Kopftuch abdecken, trocknen lassen, auswaschen [14]
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▪ [Dosierungen]:
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- Rezepte - Essen & Trinken
- ▪ [Erfrischungsapéritif]: 2 EL Chinarinde mit 2 EL frischer Bio-Orangenschale, 1/2 Vanillestange, 1/2 EL Süßholzwurzel, 1/2 EL Zimt mit so viel hochprozentigem Alkohol (Obstschnaps / Korn / Wodka) ansetzen, dass alle Zutaten bedeckt sind, verschließen und an einen hellen Ort stellen, 2 Wochen ziehen lassen, dabei täglich schütteln, die so entstehende Tinktur durch einen Filter gießen; 500 g Zucker in 2 Flaschen trockenen Weißwein oder Rosewein auflösen, dazu den Wein etwas erhitzen (nicht kochen); Tinktur und süßen Wein mischen und nach Bedarf nochmals filtern, den Aperitif stark kühlen, mit Eiswürfeln servieren (eventuell mit eingefrorenen Orangen- oder Zitronenblüten) [14]
- ▪ [Chinawein]: 2 EL zerkleinerte Rinde und 2 Zimtstangen mit 1 Flasche biologischem Weißwein übergießen, verkorken und etwa 1 Woche stehen lassen, immer wieder schütteln, dann abseihen und entweder etwas Zuckerlösung (je nach Geschmack) beifügen oder pur likörgläserweise trinken [14]
Nutzpflanzenkunde & Ethnobotanik
- Nutzung nichtmedizinisch
- ▪ [Industrielle Nutzung]: Industrielle Alkaloidgewinnung [18]
- ▪ [Geschmackskorrigens / Aromapflanze]: Isoliertes Chinin in Getränken (Tonic Water, Bitter Lemon) [4][14][18]; aber auch in kleinen Konzentrationen als Geschmacksverstärker in manchen Soßen und verschiedenen Likören und klassisch gemixten Bardrinks [14]
- Nutzung nichtmedizinisch (obsolet)
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- Ethnobotanische Bedeutung
- ▪ [Ethnobotanische Nutzung]: Chinarinde ist bei den Eingeborenen der südamerikanischen Anden von Bolivien bis Chile ein wichtiges Heilmittel und ist deshalb auch bei den Schamanen hoch angesehen [14]
- ▪ [Rauschmittel (nichthalluzinogen) / Aphrodisiakum]: Chinarinde und -pulver sind wegen ihres schwachen aber ansprechenden Aromas als Beimischung für Räucherungen interessant, besonders in Räumen mit Kranken [14]
- ▪ [Symbolpflanze]: Der Chinarindenbaum findet sich auf dem Wappen Perus. Der dort als Quina bekannte Baum, auch aus der Quechua-Sprache übernommen, steht in einem einzelnen Feld oben heraldisch links im Wappen und soll die Natur und Pflanzenwelt Perus symbolisieren [24]
- Ethnobotanische Bedeutung (obsolet)
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Quellenangaben
- [1] Royal Botanic Gardens (Kew) (ff): Plants of the World Online; https://powo.science.kew.org/
- [4] Schönfelder I. & Schönfelder P. (2011): Das neue Handbuch der Heilpflanzen; Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart
- [14] Hirsch S. & Grünberger F. (2006): Die Kräuter in meinem Garten; Freya Verlag, Linz
- [15] Pahlow M. (2006): Das große Buch der Heilpflanzen; Weltbild Verlag, München
- [18] Van Wyk B.E., Wink C., Wink M. (2004): Handbuch der Arzneipflanzen; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart
- [24] Wikipedia (ff): Die freie Enzyklopädie / The Free Encyclopedia; https://www.wikipedia.org/
- [25] Busse B. (ff): Eigene Darstellung; PlantaMedia
- Autoren
- Letzte Änderung
15.11.2024